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Editorial

Liebe Leserinnen und Leser!

Riss, der; Substantiv, maskulin.

Laut Duden hat das Wort sehr unterschiedliche Bedeutungen, von einer „Stelle, an der etwas gerissen, zerrissen oder eingerissen“ ist, bis hin zur Bezeichnung von Beute in der Jägersprache. Risse können im Stoff oder an Wänden vorkommen oder sehr schmerzhaft im Innenmeniskus, sie können in Freundschaften entstehen; Risse sind Bestandteil der eigenen Biografie und Risse können durch eine ganze Gesellschaft gehen. Immer haben sie weitreichende Folgen.

Die vorliegende Ausgabe beschäftigt sich mit Bruchstellen, die kürzlich oder mit den Jahren entstanden sind und die optisch zu Tage treten oder verborgen sind, die man leimen oder kitten kann oder die auf alle Zeit vorhanden sind, auch wenn man sie nicht mehr wahrnimmt.

Meist wünschen wir uns, dass wir Risse beheben können, oder hoffen, dass ein existentieller Riss vielleicht auch eine Chance für einen Aufbruch und Neubeginn sein kann. Häufig ist er das allerdings nicht, und das ist nicht immer von Nachteil. Ich lade Sie ein zu einem Perspektivwechsel. Mancher Riss darf auch mal unbearbeitet bleiben und muss nicht immer sofort entfernt werden.

Doch zunächst wollen wir in die unterschiedlichen Kategorien von Rissen einführen und danach mit Kai Unzicker und Hester Weigand auf gesellschaftliche Risse in Deutschland aufmerksam machen sowie der Frage nachgehen, ob es so etwas wie gesellschaftlichen Zusammenhalt gibt und wenn ja, woraus dieser besteht. Vom Kleinen zum Großen geht es mit Franz Gulde von MISEREOR, der einen Blick auf globale Risse wirft und das Bild eines renovierungsbedürftigen Hauses skizziert, dem Wandel guttun würde.

Paulina Pieper überträgt Risse als (De-)​Konstruktionen von Identität(en) in den kirchlichen Bereich, u. a. am Beispiel des Synodalen Weges, und fordert in Anlehnung an Karl Rahner, die Risse nicht zu überpinseln und sie lieber nach der Methode des Kintsugi zu bearbeiten. Dass auch aus weltkirchlicher Perspektive Heterogenität legitim ist, betont Markus Demele von KOLPING INTERNATIONAL.

Martin Hochholzer und Jasmin Hack unternehmen eine Zeitreise und spüren Risse in der Bibel auf, angefangen bei Adam und Eva bis hin zu frühchristlichen Gemeinden. Doch nicht nur das frühe Christentum kennt Spannungen, Risse und Zerwürfnisse; wie ökumenische Arbeit dieser Herausforderung heute begegnen kann, erklärt Jürgen Dittrich.

Mit Rissen in der Biografie beschäftigt sich Monika Heilmeier-Schmittner. Sie zeigt auf, dass mittels einer sinnvollen Biografiearbeit erwartbare und unerwartete Risse gleichermaßen bearbeitet werden können.

Zu guter Letzt möchten wir Sie auf unsere kurze Umfrage zu euangel aufmerksam machen. Wir würden uns freuen, wenn Sie daran teilnehmen könnten.

Herzlich,

Ihre