Bullshit-Bingo, Kollegenbashing und frohe Ostern
An Ostern postete ich bei Twitter ein Bild, das ich bereits im letzten Jahr (in meinem Blog) geteilt hatte. Ähnliches hatte ich an Weihnachten 2012, anlässlich eines Wetten-dass-Abends 2012 und einer WWDC-Präsentation von Apple 2013 veröffentlicht.
Es handelte sich dabei um sogenannte „Bullshit-Bingos“ oder „Buzzword-Bingos“, die Wikipedia folgendermaßen definiert:
Diese Form der Satire setzt sich demnach mit Redundanzen sowie erwartbaren Worthülsen und geprägten Ausdrücken auseinander, die in bestimmten Settings Beispiele von Binnenkommunikation verdeutlichen können. Der geprägte Terminus technicus „Bullshit-Bingo“ bezieht sich daher nicht auf eine Bewertung des Inhalts, sondern eher auf die Art der Vermittlung und liefert eine spielerische und augenzwinkernde Wahrnehmungshilfe.
Auf den oben abgebildeten Post bei Twitter bekam ich mehrere kritische Nachfragen.
Viele Rückmeldungen führe ich darauf zurück, dass vielleicht nicht allen der Ausdruck „Bullshit-Bingo“ vertraut war und nicht deutlich genug ersichtlich war, dass ich keineswegs den Inhalt der Osterpredigten als „Bullshit“ bezeichne, sondern allein die humorvolle Sicht auf Kommunikation diesen (zugegebenermaßen etwas vulgären) Namen trägt.
Aus den Kommentaren las ich jedoch auch eine identifizierte Betroffenheit heraus (gleichermaßen von Predigenden und Zuhörenden). Manche fragten interessiert: „Wie machst du es (besser)?“, andere vermuteten „Amtsbruderbashing“, wieder andere fanden es „geschmacklos […] und unterste Ebene“.
Zuerst: Ich stehe auch selbst auf der Kanzel. Oft kann man sicherlich auch bei meinen Predigten schnell „Bingo“ rufen, weil man auch mich schnell überführen kann, keineswegs worthülsenfrei zu predigen. Das reflektiere ich durchaus ehrlich, schmerzhaft und klar. Fesselnde und kontextuelle Sprachbilder zu finden, ist und bleibt eben eine Herausforderung und hohe Kunst.
Daher wundert es mich umso mehr, warum Predigtkolleg*innen und Predigtzuhörer*innen gleichermaßen nun von dieser Satire in meinem Post so angefasst, betroffen und vielleicht sogar verletzt waren. Warum liegt es für Amtsbrüder und Amtsschwestern näher, darin ein nestbeschmutzendes Kolleg*innenbashing zu deuten, als humorvoll ein „Ist auch alles nicht so einfach, lasst uns dennoch unser Bestes geben“ zu lesen? Und warum wird diese Satire eher als „geschmacklos und unterste Ebene“ gedeutet als als ein humorvolles Ringen, diesen wertvollen Inhalt würdig und zeitgemäß zu kommunizieren? Schließlich, und das sollte doch eigentlich klar sein, bin ich sowohl selbst predigende Kollegin als auch Christin, der daran liegt, die Auferstehung Jesu bestmöglich zu verkünden.
Ich möchte somit weder Kolleg*innen kritisieren noch den Inhalt der Osterbotschaft. Was ich jedoch als Bullshit im Sinne des Bullshit-Bingos empfinde, ist die gleichförmige und erwartbare Sprache in unseren Ostergottesdiensten, die die Osterbotschaft verkündigt. Nicht die Auferstehung des Herrn ist eine Worthülse, wohl aber unser dublettenartiges Reden davon. In vielen Gottesdiensten wird an diesen Ostertagen exakt das Gleiche gepredigt worden sein. Dies führe ich nicht auf das gemeinsame Proprium „Ostern“, den einenden Heiligen Geist oder das geordnete Perikopensystem in Deutschland zurück, sondern auf unsere Predigtkultur (aktiv und passiv), die nahezu plagiathaft Versatzstücke aneinanderreiht.
Das Bullshit-Bingo persifliert die „oft inhaltslose Verwendung zahlreicher Schlagwörter“, so Wikipedia, daher ist die Übertragung in unsere Predigtkultur demaskierend und aufschlussreich, besonders, wenn sie nicht bierernst, sondern satirisch-humorvoll daherkommt.
Vielleicht haben wir zu wenige Orte, an denen wir uns über zeitgemäße Homiletik austauschen können. Sowohl im ernsten theologischen Ringen als auch im augenzwinkernden Schmunzeln.
Nachtrag:Die „Gardinenpredigerin“ hat einen anregenden Post über das Verblassen traditioneller liturgischer Bekenntnisformeln an Ostern geschrieben. Diese Entwicklung scheint ja durchaus in Verbindung mit den oben angesprochenen Worthülsen zu stehen. Der Abbruch geprägter liturgischer Traditionen geschieht parallel mit einer Zunahme allgemeiner homiletischer Versatzstücke oder folkloristischer Osterkultur.