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Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

kurz vor dem Katholikentag 2016 in Leipzig erschien publikumswirk­sam das Buch von Erik Flügge „Der Jargon der Betroffenheit. Wie die Kirche an ihrer Sprache verreckt“ und löste einen Hype aus. Der Politik­berater Flügge diagnostiziert der Kirche vor allem ein Sprachproblem: „Verschrobene, gefühlsduselnde Wortbilder reihen sich Sonntag für Sonntag auf den Kanzeln aneinander. Die Kirche scheint sprachlich in den Achtzigern hängengeblieben.“ Damit liegt Flügge sicher nicht da­neben, auch wenn dieses Problem schon seit langem bekannt ist und bereits eingehend beschrieben wurde: Das „Kirchsprech“ wirkt oft hilf­los und nicht anschlussfähig, verliert sich zudem regelmäßig in Banali­tä­ten und Floskeln. Flügge sieht die Lösung in einer zeitgemäßen Spra­che, so dass die Kirche wieder bei den Menschen ankommen kann. Das Buch löste eine rege Debatte aus, erntete viel Zuspruch, aber auch Kritik. Denn auch wenn Flügges Phänomenbeschreibungen zutreffen, so liegt das Problem doch tiefer – wie es beispielsweise Arndt Bünker formu­lierte. Für ihn besteht ein Relevanzproblem der Kirche, dass sich durch Sprachoptimierung bestenfalls kaschieren, aber nicht beheben lässt. Wie aber kann das Evangelium so kommuniziert werden, dass seine Heilsbedeutung verstehbar und erfahrbar wird?

Dieser Frage geht die aktuelle εύangel-Ausgabe nach. Den Anfang macht dabei Andreas Knapp, der sich als Theologe und Dichter der religiösen Spra­­che und dem menschgewordenen Wort Gottes als Teil einer Bezie­hungswirklichkeit zuwendet. Ottmar Fuchs bietet Überlegungen zu „Gottes einfühlsamer Sprache“ und verweist dabei auf die Bedeutsam­keit von Schweigen und Sprachlosigkeit. Um den Glauben heute zu be­zeu­gen und die Pastoral im Sinne des Dokuments „Gemeinsam Kirche sein“ zu erneuern, wird von Katrin Gallegos Sánchez die Notwendigkeit eines neuen Kommunikationsverständnisses und neuer Kommunika­tions­strukturen betont. In ähnlicher Stoßrichtung plädiert Maria Widl für einen Paradigmenwechsel vom Sprach- zum Denkproblem. Sie entwirft dafür das Konzept des „Praktischen Theologisierens“, das das Leben in Be­zug zum Glauben setzen will, nicht umgekehrt den Glauben zum Leben. Die Frage, wie die Relevanz des Evangeliums verdeutlicht werden kann, versucht Christian Schröder durch den Ansatz „Story­tell­ing“ zu beantwor­ten, einem Weg, um die eigenen Glau­bens­über­zeu­gun­gen in narrativer Form auszudrücken. Doch auch die Frage der Predigt kommt zu Wort: Peter Otten berichtet in einem Interview, das er mit sich selbst geführt hat, von seinen Erfahrungen, die er als Theologe auf einem Science Slam gewonnen hat. Kathrin Oxen gewährt einen Einblick in die Werkstatt evan­gelischer Predigtausbildung und begleitung. Und auch die Sprache der Schrift selbst wird analysiert: Claudio Ettl  geht der den aktuellen Bibel­übersetzungen und ihrer Bedeutung für eine zeit­ge­mä­ße religiöse Sprache nach. Den Abschluss des Schwerpunkts bieten Sandra Bils Anmerkungen zum „Bullshitbingo“, einer humoristischen Variante des Bingo-Spiels, die die oft inhaltslose Verwendung zahl­rei­cher Schlagwör­ter in Vorträgen, Präsentationen oder Besprechungen persifliert und damit Beispiele schwer nachvollziehbarer Bin­nen­kom­mu­ni­ka­tion ver­deutlicht.

 

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre!

Ihr