Motivation, Beauftragung und Leitung als Themen der Partizipationsförderung – ein Werkstattbericht aus dem ZAP
Das ‚Zentrum für angewandte Pastoralforschung‘ ist eine Neugründung, die am Lehrstuhl für Pastoraltheologie der Ruhr-Universität Bochum angesiedelt ist. Es existiert seit Oktober 2012 und wird von seinem Gründer Prof. Dr. Matthias Sellmann geleitet. In seiner anwendungsorientierten Organisationsform, Arbeitsweise und Größe handelt es sich um eine erstmalige und in der deutschsprachigen praktischen Theologie auch einmalige Organisation.
So wie man Zentren für angewandte Politik- oder Nanotechnologieforschung kennen mag, so bildet das ZAP eine Vermittlungsstelle zwischen den Entscheidungsfeldern der Pastoral und der Grundlagenreflexion der Theologie. Das bedeutet: Das ZAP ist weder die Verlängerung von diözesanen Pastoraldezernaten noch eine Unternehmensberatung noch eine bischöfliche Arbeitsstelle noch eine Akademie noch eine Institution der kirchlichen Organisationsentwicklung. Das ZAP bildet vielmehr eine Schnittstelle zwischen praktischer Theologie und den Entscheidungssituationen der Pastoralplanung in den Diözesen. Diese Schnittstelle fehlt vielerorts, da nur selten ein systematischer und problemgenauer Wissensaustausch zwischen universitärer Forschung und pastoraler Praxis stattfindet.
Das Ziel der Arbeit am ZAP ist dabei die universitäre Erforschung und Unterstützung unterschiedlicher Weisen einer glaubwürdigen Präsenz des Christlichen in unserer Gesellschaft und ihrer kirchlichen Organisationsform. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am ZAP interessiert sowohl in ihren wissenschaftlichen Qualifikationsarbeiten als auch in der Bearbeitung der verschiedenen Kooperationsprojekte, wie dies heute Ausdruck finden kann.
ZAP: Zuhören – Austauschen – Produzieren
Das methodische Vorgehen am ZAP orientiert sich in Anlehnung an die bekannte Trias Sehen-Urteilen-Handeln an dem Dreischritt Zuhören – Austauschen – Produzieren (Sellmann 2012):
- Die verschiedenen Kooperationen beginnen mit dem z wie „zuhören“: Welches Wissen wirkt schon jetzt? Welche Lösungsenergie fließt bereits? Und was klappt wo warum? Hier kommen Methoden der qualitativen und quantitativen Sozialforschung zum Einsatz. Die Praxis wird als Lernort der Theologie verstanden.
- Diese Informationen aus dem Praxisfeld werden zweitens mit dem Depot theologischer, pädagogischer und sozialwissenschaftlicher Diskurse verbunden: a wie „austauschen“. Das Thema der Grundlagenforschung wird also aus dem Praxisfeld gewonnen.
- Aus dem elliptischen Kraftfeld dieser beiden Pole werden drittens Instrumente des Wissenstransfers gewonnen. Diese Produkte (p wie „produzieren") sind die konkreten Handlungsvorschläge aus der Arbeit des ZAPs. Optimalerweise bereichern diese nicht nur die Pastoral vor Ort, sondern stimulieren auch eine gesellschaftlich und pastoral relevantere Theologie.
Der Begriff „Konfigurator“ stammt aus der Innovationstheorie und der Kreativitätstechnik. Lernpsychologisch weiß man, dass sich bei Praxisherausforderungen vor allem dann Lösungsenergien freisetzen, wenn das gegebene Problem grob vorgegliedert und somit der Möglichkeitsraum zu erwartender Lösungen eingegrenzt wurde. Gute Konfiguratoren halten dabei die Balance einer mittleren Abstraktion: Sie strukturieren einerseits hilfreich vor, formatieren aber andererseits nicht schon zu detailliert. Konfiguratoren sind demnach ein unersetzlicher Bestandteil von „open-innovation“-Verfahren.
Der Konfigurator impliziert folgende Thesen:
1. Gegenwärtige Kirchenentwicklung kann keiner der pointierten Herausforderungen ausweichen. Das bedeutet: Wer hier nicht aktiv entscheidet, über den wird entschieden. In jeder der pointierten Linien herrscht gegenwärtig ein Handlungsdruck, der in seiner Faktizität normative Kraft bekommen hat.
2. Der Konfigurator ist auf weitere Linien hin offen. Die Themen, die zurzeit am ZAP angesiedelt sind, fokussieren jedoch diese sieben Bereiche kirchlicher Umbrüche.
3. Die in den sieben Linien pointierten Herausforderungen gelten für nahezu alle kirchlichen Akteure: Sei es eine Diözese, ein Orden, eine große Pfarrei, ein Verband oder ein Krankenhauskonzern. Überall ist der Handlungsdruck groß.
Nun sollen drei Kooperationsprojekte aus der Forschungslinie Partizipation beschrieben werden, die der Frage nach aktiver Partizipation durch haupt- und ehrenamtlich in der Kirche Engagierte und ihrer Bedeutung für eine zukunftsfähige Kirchenentwicklung nachgehen.
Kirchliches Ehrenamtsmanagement – Die Dimension der Motivation. Ein Kooperationsprojekt mit dem Bistum Speyer
Christine Zimmerhof
„Motivation“ heißt die kostbare Ware, auf die es auch im Rahmen von Kirchenentwicklung immer stärker ankommt. Denn kreative Verantwortungsübernahme im lokalen Bereich ist nicht nur ein Erfordernis aus Gründen des sogenannten Priestermangels, sondern vor allem des allgemeinen Bedürfnisses nach bürgerlicher Mitgestaltung im öffentlich-kulturellen Bereich. Freiwillig Engagierte müssen und wollen auch in der Kirche nicht nur als Konsumenten, sondern als Gestalterinnen und Gestalter kirchlicher Leistungen und gemeindlichen Lebens adressiert werden. Daher ist aufmerksam darauf zu achten, welche Motivation bei den Engagierten bzw. Engagements-Willigen vorliegt, was in diesem Zusammenhang lokale Kirchenentwicklung fördert und welche Anreize und Bedingungen zur Intensivierung von Gestaltungsprozessen gesetzt werden können.
In einem Kooperationsprojekt zwischen dem ZAP und dem Bistum Speyer werden mit den Mitteln qualitativer Sozialforschung die verschiedenen Motivationsbündel kirchlich Engagierter exemplarisch erhoben. Das Projekt ist auf die Dauer von drei Jahren terminiert. Zurzeit werden ehrenamtlich Engagierte aus ganz unterschiedlichen kirchlichen Bereichen mithilfe von leitfadengestützten Interviews zu ihrer Motivation, sich kirchlich zu engagieren, befragt. Das analytische Ziel ist die Bildung einer Motivationstypologie, die im Bistum Speyer im Bereich des „Ehrenamtsmanagements“ Anwendung finden wird.
Schon in dieser Phase der Feldforschung zeigt sich, dass es von den ehrenamtlichen Engagierten als sehr positiv wahrgenommen wird, dass sie exemplarisch nach ihrer Motivation gefragt werden. Das Hinhören wird als ein Zeichen der Wertschätzung erfahren. Über die Frage nach der Motivation, nach dem inneren Antrieb sich kirchlich zu engagieren, werden implizit Erkenntnisse über die sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen kirchlichen Engagements erhoben. Häufig werden von den Interviewpartnerinnen und -partnern bereits konkrete Vorschläge in Bezug auf zukünftiges „Ehrenamtsmanagement“ entwickelt. Der Wunsch nach Partizipation und Gestaltungsmöglichkeiten wird in vielen der geführten Interviews deutlich. Die oftmals hoch engagierten Ehrenamtlichen möchten ihre Fähigkeiten aktiv einbringen und den Bereich, in dem sie sich engagieren, mitgestalten. Bereits in dieser frühen Phase des Projektes zeigt sich, dass Partizipation und Motivation eng miteinander verbunden zu sein scheinen. Dieser Beobachtung wird im weiteren Verlauf des Projektes in besonderer Weise nachgegangen.
Das ZAP wird im Anschluss an die Phase der sozialwissenschaftlichen Feldforschung gemeinsam mit den diözesan Verantwortlichen an der Entwicklung eines Konzeptes zur Engagementförderung arbeiten. Die Faktoren Motivation, charismenorientierter Einsatz und milieusensible Pastoral werden bei der Entwicklung neuer Anreizstrukturen für die Aktivierung von Engagement besonders berücksichtigt. Die verstärkte Forderung nach Partizipationsmöglichkeiten wird ebenfalls aufgenommen werden. Am Ende der Projektphase werden die jeweiligen Schritte evaluiert und ggf. optimiert.
Neue Perspektiven einer Beauftragungspraxis von ehrenamtlich Engagierten in der Kirche. Ein Kooperationsprojekt mit der Diözese Rottenburg-Stuttgart
Theresa Reinke
Ein feierlicher Gottesdienst, in dem neue Engagierte in ihren Dienst eingeführt werden. Eine Urkunde, welche die zu übernehmende Verantwortung beschreibt und vielleicht die Unterschrift des Bischofs trägt. Ein Gebet, das den Dienst der engagierten Gläubigen unter den Segen Gottes stellt. – Sind dies Instrumente, Mittel und Wege, die ehrenamtlich in der Kirche Engagierten in ihrer Motivation zu bestärken, das Engagement der Christinnen und Christen in ihren Gemeinden und darüber hinaus zu fördern sowie ihre Rolle als ehrenamtlich Engagierte abzusichern?
Diesen Fragen widmet sich ein weiteres Forschungsprojekt, das von der Diözese Rottenburg-Stuttgart angeregt wurde und in zweijähriger Kooperation durchgeführt wird. Ausgehend von dem Wunsch, die Anerkennung des ehrenamtlichen Engagements sowie die Legitimation ehrenamtlicher Rollen zu stärken, wird der Frage nachgegangen, inwieweit eine Beauftragung dazu beitragen kann und wie in dieser Thematik neue Perspektiven für die diözesane Praxis aussehen können (einen ausführlicheren Einblick in das Thema des Forschungsprojektes bietet: Reinke 2015).
Zunächst wurden dazu verschiedene Beispiele von Beauftragungen aus den deutschsprachigen Diözesen, kirchlichen Einrichtungen und Verbänden gesammelt und ausgewertet. Angereichert werden diese Beobachtungen durch einen Blick in weltkirchliche Formen der Beauftragung bzw. der Segnung von Engagierten. Ab Sommer 2015 sollen diese Beispiele dann auf einer Website anhand von Berichten, Urkunden, liturgischen Formularen, didaktischen Materialien und Fotos sowie weiterführenden Informationen vorgestellt werden.
Im Vordergrund einer Beauftragung steht zumeist das Anliegen, eine Zuständigkeit zu delegieren und eine neue Rolle zu legitimieren. Die weltkirchlichen Erfahrungen beispielsweise aus Poitiers oder Südafrika verweisen darüber hinaus auf einen besonderen Ansatzpunkt der Beauftragungen, der im deutschen Kontext bisher weniger beachtet worden ist. Die eigentliche Beauftragungsfeier ist eingebettet in einen Prozess, der ihr vorausgeht und auch über sie hinausweist: Das Fundament bildet der Auftrag der Kirche, im Sinne des Evangeliums zu den Menschen gesandt zu sein. Ausgehend von diesem Auftrag richtet die Gemeinde den Blick auf die Menschen, die vor Ort leben, und ihre Begabungen: Wer lebt hier mit uns an unserem Ort? Wer hat welche – bisher vielleicht noch nicht beachteten – Fähigkeiten, die für das Zusammenleben der Menschen fruchtbar werden können und so dem Evangelium dienen? Aufgrund dieser Reflexion kommt es dann zur Beauftragung und Segnung der engagierten Personen.
Ausgehend von diesen Beobachtungen zeigen sich verschiedene Perspektiven einer zukünftigen Beauftragungspraxis, die über die bisher üblichen, eher strukturellen Fragen, wer wozu durch wen beauftragt werden soll, und das Anliegen der Legitimation neuer Rollen hinausgehen. Für eine stärker partizipationsfördernde Beauftragungspraxis scheint den Gemeinden die entscheidende Rolle als Trägerinnen eines dialogischen Prozesses zuzukommen, der die Menschen mit ihren Begabungen mehr in den Blick nimmt. Um unabhängig von den Beauftragungen die Wertschätzung und Anerkennung ehrenamtlichen Engagements auszudrücken und zu fördern, werden im Kooperationsprojekt nun ebenso auch andere Rituale der Segnung und Einführung von neuen Engagierten oder weitere symbolische Formen einer Anerkennungs- und Dankkultur in den Blick genommen und entwickelt.
„Verantwortung teilen“. Freiwillig Engagierte in leitenden Funktionen. Ein Kooperationsprojekt mit dem Bistum Aachen
Elisa Kröger
In nahezu allen deutschen Diözesen ist derzeit nichts stärker zu hören als die Frage nach der Zukunft der Kirche. In diesem Zusammenhang ist auch immer wieder die Rede von einer größeren Mitverantwortung aller Christen. Wenngleich der Mangel an leitenden Priestern Anlass zur Frage nach einer stärkeren Partizipation durch freiwillig Engagierte gibt, ist ungleich wichtiger zu betonen: Der Grund muss woanders liegen: In der Taufe. Sie verleiht jedem Einzelnen Würde und Charismen. In ihr gründet die gemeinsame Verantwortung und Befähigung aller Christinnen und Christen dafür, dass die Frohe Botschaft alle erreicht. Die Taufe ist es auch, die neue Formen von Kirchesein vor Ort begründet und deren Bewusstsein verhindert, dass freiwillig Engagierte zu Lückenbüßern und „verlängerten Armen“ von Hauptamtlichen werden. Weltkirchliche Vorbilder für solche Entdeckungs- und Gründungsprozesse aus dem Sakrament der Taufe heraus sind unter anderem die Basis-Equipen in Poitiers / Frankreich, die Kleinen Christlichen Gemeinschaften auf den Philippinen oder auch das „stewardship“-Konzept in den USA. Doch solche Prozesse partizipativer Kirchenentwicklung brauchen Orte der Bewusstseinsbildung, der Unterstützung und Schulung.
Einen solchen Ort eröffnet das dreijährige Kooperationsprojekt „Verantwortung teilen“ zwischen dem ZAP und dem Bistum Aachen. Ziel des Projekts ist es, ein Curriculum zur Ausbildung und Unterstützung freiwillig Engagierter zu erstellen, die in vielfältiger Weise Verantwortung wahrnehmen – etwa in den nach c. 517 § 2 CIC geleiteten Pfarreien, als Mitglied in den neu gewählten Synodalgremien auf Ebene des pastoralen Raums oder auch als LeiterInnen von Gemeindeneugründungen und anderen pastoralen Initiativen. Mit Instrumenten empirischer Sozialforschung werden zum Teil die verschiedenen Qualifizierungsbedarfe, die freiwillig Engagierte in Bezug auf ihre bisherige Verantwortungsübernahme und anlässlich der strukturellen Umbrüche feststellen können, erhoben. Seit 2014 wird das Curriculum in Gestalt konkreter Kursangebote erprobt (http://www.verantwortungteilen.de). Nach seiner Durchführung wird das Curriculum evaluiert und bezüglich seiner Effekte auf die pastorale Praxis hin optimiert (Stichwort Nachhaltigkeit). Im Rahmen des Projekts wurden bereits drei Ergebnisse erarbeitet, die im Folgenden thesenartig vorgestellt werden sollen: 1. Die Zukunft partizipativer Kirchenentwicklung wird entscheidend davon abhängen, ob es gelingt, geistlich gegründete Teams zu bilden. Damit freiwillig Engagierte nicht für eine Praxis qualifiziert werden, die im Zusammenspiel mit Hauptamtlichen (noch) gar nicht existiert (und umgekehrt), legt das Curriculum einen Schwerpunkt auf gemeinsames Team-Lernen von und zwischen freiwillig Engagierten und hauptamtlich in der Kirche Tätigen. 2. Partizipative Kirchenentwicklung erfordert einen neuen Leitungsstil. Das Curriculum legt seinen Schwerpunkt daher auf die Entwicklung eines Leitungsstils, der sich als Dienst im Sinne von „ErmöglicherInnen“ (facilitator), „BefähigerInnen“ (enabler) und „AnimateurInnen“ (l´animateur) versteht. 3. Die Zukunft partizipativer Kirchenentwicklung hängt davon ab, ob es gelingt, die in den Köpfen häufig wirkmächtigen binnenekklesiologischen Denk-Logiken zu durchbrechen und „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art“ (GS 1) so zu teilen als wäre es die eigene. Als wesentliche Leitlinie im Programm „Verantwortung teilen“ gilt daher, den Paradigmenwechsel von ermüdender Aufgabenerfüllung zu einer gabenorientierten Pastoral bereits durch den Vollzug in der Praxis einzuüben und die Entwicklung neuer pastoraler Initiativen, in denen die verschiedenen Lebensfragen und -stile der Menschen von heute Ausdruck finden, zu befördern. In diesen Zusammenhang wird etwa mit der Methode des Exposures gearbeitet (siehe Kursauschreibung: „Eine Kirche, die aus sich herausgeht“), welche Perspektivwechsel und kreatives Erfahrungslernen erzeugt und dadurch zu einem veränderten Handlungsstil in der pastoralen Praxis führt.
Das erste Kursprogramm zeigt eine hohe Teilnehmerresonanz und -zufriedenheit im Bistum Aachen. Im Anschluss an seine Evaluation wird ein zweites Curriculum für 2015 / 2016 erstellt. Bereits jetzt zeichnet sich dazu eine neue Bildungsintervention ab, die zur Unterstützung freiwillig Engagierter in leitenden Teams im Kontext partizipativer Kirchenentwicklung umgesetzt werden soll. Auch das zweite Kursprogramm wird evaluiert und mit den Ergebnissen der Evaluation des ersten Kursprogramms zusammengeführt. Am Ende soll ein Tool des Wissenstransfers stehen, das wirksame Bausteine zu Methoden, Techniken, Haltungen und Modellen zur Förderung partizipativer Kirchenentwicklung und Verantwortungsübernahme durch freiwillig Engagierte (und beruflich Tätige) in leitenden Teams bereitstellt.